«Wir brauchen nie nervös zu sein»

Im Beinhaus eröffnet heute die HORA'BAND aus Zürich die SMT. Wir haben sie vor dem Auftritt besucht.

Zwischen Schädeln und Skelett-Teilen läutet die HORA'BAND im Beinhaus den Start der SMT ein. Eine nicht ganz alltägliche Band steht da auf der Bühne – was ist der Unterschied zwischen ihnen und anderen Bands und was hat Ruth Dreifuss damit zu tun?

Von Nina Laky

Pünktlich zum Start der Stanser Musiktage hat der Regen eingesetzt. Dieser tropft auch auf's Beinhaus (1559-1560) hinter der Pfarrkirche, wo heute die erste von 22 Hauptbands spielt. Im Unteren Beinhaus, dort, wo nun auch Instrumente stehen, sind die Gebeine aus dem früheren Friedhof aufbewahrt. Dunkle und helle Knochen zeigen, wer in einem Eichensarg beerdigt wurde und wer nicht.

Bevor die HORA'BAND dort aber die Bühne betreten wird, sitzt sie im Saal des Pfarrhauses bei Wein, Bier und einem kleinen Znacht zusammen. Der Soundcheck sei super verlaufen, der Raum klinge sehr gut. «Der Ort ist tiefsinnig – wie unsere Musik. Das passt», sagt der Schlagzeuger Lukas Selinger. «Sie macht nachdenklich, hat andere Zeitdimensionen. Man fängt mit ihr an, abzuschweifen», beschreibt Gitarrist und Bandleader Roli Strobel ihre Musik. «Aber als erstes haben wir natürlich die Totenköpfe angeschaut», bemerkt Dr. Vee – sie spielt die Orgel.

Zwischen Totenköpfen und Zeitdimensionen

Die HORA'BAND ist 2004 im Umkreis des Theaterensembles HORA in Zürich entstanden. Es ist eine Band, in der Menschen mit und ohne psychische oder geistige Beeinträchtigung spielen. Nachdem ein Mitglied des Theaters in einem Brief die damalige Bundesrätin Ruth Dreifuss um Unterstützung bat, bekam das Theater 100'000 Franken. Was man damit machen wolle, fragte man das Ensemble. «Eine Band!» war die Antwort: Das ehemalige Bandmitglied Sandra Grande gründete zusammen mit Denise Wick Ross die HORA'BAND.

Die 64-jährige Amerikanerin Denise Wick Ross steht bis heute als Sängerin und Songwriterin im Zentrum. «Alle Texte und Ideen müssen mit Denise zu tun haben und von ihr abgesgnet sein», sagt Roli Strobel. Wer eine gute Idee habe, gehe zuerst zu Denise. Meistens fände man sie draussen beim Rauchen.

Tiefgründigkeit inklusive Glücksgefühle

Bereits über 250 Konzerte haben sie gespielt, häufig ist die Band mehrere Tage zusammen. «Das geht gut, das Zusammensein macht Spass», sagt Enrico Rizzi, der Banjo und Gitarre spielt. Dr. Vree ergänzt: «Mir gefällt, dass gewisse Songs lange am Entstehen sind, zum Teil bis zum Konzert.» Darum, meint Roli Strobel, müsse niemand vor dem Konzert besonders nervös sein.

Die Musik der HORA'BAND lässt Zufälle und Leerstellen zu. Es sei keine Improvisation, eher Spontanität, betonen sie. Die musikalische Leistung und das technische Können der Bandmitglieder ist beachtlich: Sie spielen bedacht, sorgfältig und skrupellos mit berührend chaotischen Elementen. Für die Konzerte stellt die Band jeweils ein Set zusammen, das zum Ort passt. Für heute hätten sie auf die rockigeren Stücke verzichtet.

Wie reagiert das Publikum auf Spontanität? «Viele sagen, es habe was Magisches und die Musik mache sie glücklich. Frag mich nicht warum, wir sind ja schliesslich nicht Beck», sagt Roli Strobel, sie selbst würden die Rezeptur zu dieser speziellen Mischung auch nicht ganz kennen.

Nur einmal, erzählt Dr. Vee, habe das mit der Magie nicht geklappt. Die Band war eingeladen, aber – so vermutet sie – «eher aus Mitleid und um etwas Gutes für ‹die Behinderten› zu tun». Für die Musik habe sich dann eigentlich niemand gross interessiert.

Plattentaufe plus Karibikreise?

Bereits vier Tonträger hat die HORA'BAND veröffentlicht. Die neuen Songs sollen im Januar getauft werden, mit einer Show im El Lokal in Zürich. Ebenfalls im Januar arbeitet die HORA'BAND an einem HORA Theaterstück mit. Vom 26. bis am 28. Januar wird es, von der HORA'BAND vertont, im Zürcher Schauspielhaus zu sehen sein. «Es kommt viel Arbeit auf uns zu», sagt Roli Strobel. 

Bald geht das Konzert im Beinhaus los. Wo würden sie gerne mal spielen, wenn sie könnten? «In der Karibik!», sagt Denise Wick Ross zum Abschluss wie aus der Pistole geschossen. Roli Strobel würde mitmachen: «Genau, ich möchte nämlich auf einem Kursschiff spielen, dann könnten wir an der Karibik vorbei.» Das hier heute, so gibt Lukas Selinger zu bedenken, sei «aber schon auch sehr speziell». 

 

Auf www.stansermusiktage.ch gibt es jeden Tag Interviews mit Bands und Berichte über Helferinnen und Helfer. Plus: In unserer täglichen Mini-Rubrik gehen wir jeweils fünf wichtigen Stichwörtern nach. Was hört, sieht, fühlt, isst und trinkt man an den SMT? Heute:

  • Gefühlt: Unangenehmes Prasseln von oben auf den Kopf und die Extremitäten.
  • Getrunken: Behutsam ein erstes Bier mit Regentropfen.
  • Gegessen: FuFu, für sonnige Gefühle im Bauch.
  • Gesehen: Zu bewundern am Wurststand auf dem Dorfplatz (Man könnte vermuten ein Lipp&Leuthold, aber es ist ein Betschart&Leibundgut):

  • Gesagt: «Hitt rägnets ai nur einisch!»