Übers Rüebli bohren und Meisseln: Rundgang mit Lipp&Leuthold

Lipp&Leuthold stellt ihre Kunst an den SMT aus. Ein Gesprächsprotokoll.

Reto Leuthold und Paul Lipp sind seit 2003 Lipp&Leuthold. In Zusammenarbeit mit dem Nidwaldner Museum stellen sie ihre Kunstwerke auf dem Stanser Dorfplatz aus. Was macht eine Tafel am Brunnen? Ein Schneehaufen an der Kirchenmauer und Knete vor dem Infostand? Auf einem Rundgang haben sie uns mehr verraten

Von Nina Laky

Das Nidwaldner Museum hat in Zusammenarbeit mit den Stanser Musiktagen für die diesjährige Ausgabe Reto Leuthold und Paul Lipp mit der Gestaltung des Programmhefts und des Plakats beauftragt. Zudem findet man im Dorf Kunstwerke von ihnen. Sie haben mit Hammer und Bagger Plastilin geknetet oder Beton und Gips gegossen. «Mir gefällt, dass sie die Grenzen des Dreidimensionalen ausloten. Ihre Arbeiten sind situativ, schnell und witzig, dass passt zu den Stanser Musiktagen», sagt Stefan Zollinger, Vorsteher des Amtes für Kultur in Nidwalden und Leiter des Nidwaldner Museum.

Lipp&Leuthold haben bereits in der Kunsthalle Bern, dem Kunstmuseum Thun oder auch im Historischen Museum in Luzern ausgestellt. Einmal haben sie eine rollende Hanswurst losgeschickt, ein andermal konnte man an ihrem Kunststand «Fastkunst» Bilder von Gerichten in minutenschnelle bestellen.

Mit den Arbeiten für die SMT setzen sie auf Interaktion. «Wir würden uns freuen, wenn Leute zum Beispiel ganze Knetmocken verschieben. Aber wir sehen auch, dass man viel Respekt davor hat. Eigentlich aber ist es wie im Sozialismus, wenn einer mal anfängt, machen auch andere mit», sagt Paul Lipp und lacht.

Beim Brunnen «Das Mädchen und der Tod» auf dem Stanser Rathausplatz steht eine Arbeit von Lipp&Leuthold, der Kunstrundgang kann beginnen. Was sehen wir hier?

Leuthold: «Wenn du sterben würdest, was würde auf deinem Grabstein stehen?», das haben wir uns bei dieser Arbeit gefragt. Dann kam die Idee, dass ich gerne eine To-Do-Liste hätte, auf der einfach drauf steht, was ich noch nicht erledigt habe.
Lipp: «Kinder abholen von der Kita», zum Beispiel, das hätte ich gerne drauf gehabt. Die Liste passt gut zur Figur vom Tod auf dem Brunnen. Das öffnet das Thema, wir hätten den Grabstein ja auch in die Wiese stecken können.
Leuthold: Ich finde es eben auch lustig, weil man in Ägypten momentan wieder irgendwelche Schrifttafeln findet. Da stell ich mir vor, wie man da welche mit einer solchen Schluderschrift findet, mit Dingen drauf, die noch nicht erledigt sind.
Lipp: Die To-Do-Sachen sind von uns beiden, die Schrift ist von Reto. Sogar ohne Vorlage! 
Leuthold: Meisseln wär eben schon auch geil gewesen.
Lipp: Ja, aber dann muss man dann gut meisseln können!
Leuthold. Ja, gut meisseln müsste man dann können! Master Of Meisseln müsste man dann sein. 

Geschneit es hat es bis zum Erstellen dieses Artikels nicht. Einen Schneehaufen findet sich in Stans aber trotzdem. Ihm fehlt leider die Nase. 

 

Lipp: Das mit der Nase ist ein bisschen doof, weil wir sie immer wieder leimen müssen, aber es ist nicht tragisch. Ich habe von Anfang an gesagt, dass sie eh am ersten Tag wegkommt. Sie war dann aber schon nach einer Stunde weg. 
Leuthold: Der Haufen heisst «Traktandum», ein Thema das noch nicht behandelt ist, ein Thema das immer wieder zuoberst auf der weltpolitischen Ordnung steht. Nein, nicht Klimawandel!
Lipp: Wir haben eben alles aus der Bürowelt übernommen, ein Werk das «Terminkollision» heisst, haben wir aber leider nicht.
Leuthold: Das treibt alles völlig ins Absurde. Das finden wir schon witzig.
Lipp: Die Idee mit dem Schneehaufen hatten wir schon länger, als wir für eine Ausstellung in Paris einen Flyer gemacht haben. Da sind wir rumgelaufen, haben aber kein Bild gefunden für den Flyer. Da lag ein Schneehaufen und wir haben ein «Rüebli» gekauft und es in den Schneemann gesteckt. So ist diese Idee entstanden. Und jetzt haben wir gedacht, es wäre doch noch schön, wenn der Haufen silbrig wäre. Das machts symbolischer, sonst würde es ja aussehen, wie echter Schnee. Und so wäre es ja auch nicht so lustig, weil es ja tatsächlich schneien könnte. 
Leuthold: Der Haufen ist aus Gips, das gibt ihm eher eine Schnee-Struktur, als wenn er auch Plastilin wäre. Wir sind immer drauf aus, dass sich die Sachen auch ergeben und dass das Material sich verselbstständigt.
Lipp: Wer macht die Nase an?
Leuthold: Du. 
Lipp: Ich? Du hast gesagt ein richtiges «Rüebli» wäre noch was.
Leuthold: Ja, ich würde ein richtiges kaufen und das reinbohren.

Nach der genauen Inspektion des Nase-Umfalls, kann es weitergehen. Nur wenige Meter weiter, ein bisschen links steht auf einem weissen Sockel ein farbiger Haufen Knete.

Leuthold: Das hier war nicht dort, das hier war vorher auch nicht da.
Lipp: Die ganze Familie hier oben habe ich noch nicht gesehen. Das Material wäre weicher, wenn die Sonne scheinen würde. Am Montag war der schwarze Teil ganz weich.
Leuthold: Ich finde es besser, wenn er härter ist.
Lipp: Aber jetzt ist er recht hart! Wir haben schon auch probiert, selber Plastilin zu machen, aber das ging nicht so gut. Auf diese Dichte geht das nicht, es gibt auch keine Maschine, die diese Menge kneten könnte. Wir haben viele kleine Päcklein Plastilin gekauft und dann zusammengeschlagen mit einem Hammer und einem Bagger. Es ist nicht ganz monochrom, aber fast. Die Idee war, dass es so eine Kinder-Knet-Geschichte gibt, dass man einen Teil nimmt und wieder oben drauf pappt, es rollt, aufschneidet … was auch immer. Schnell und spielerisch. Es war immer als abstrakte Form gedacht.
Leuthold: Ich finde es lustig, dass man sieht, dass es schwierig ist mit Abstraktion umzugehen. Wenn es zu abstrakt wird, ist es plötzlich nichts mehr. Das finde ich eine lustige Erkenntnis. Man merkt, es fehlt was Figuratives, an dem man sich halten kann. Und weil das fehlt, stehen hier jetzt Figürchen und Herzchen.
Lipp: Was hälst du davon, wenn ich die Figuren wieder reinschlagen würde?
Leuthold: Haha!

Wer den beiden Fragen stellen und mehr über ihre Werke erfahren möchte, kann am Samstag an einem Künstlergespräch und einem Rundgang teilnehmen. Treffpunkt ist am Samstag 29. April um 17.15 Uhr bei der Winkelriedbar. 

 

Auf www.stansermusiktage.ch gibt es jeden Tag Interviews mit Bands und Berichte über Helferinnen und Helfern. Plus: In unserer täglichen Mini-Rubrik gehen wir jeweils fünf wichtigen Stichwörtern nach. Was hört, sieht, fühlt, isst und trinkt man an den SMT? Heute:

Gefühlt: Gesegnet.
Getrunken: Inoffizieller SMT-Drink, erfunden von einem kreativen Gast: Beckenrieder Orangenmost, Schweppes, Mineral, Wodka und Pimm's mit Orangenschnitz und Eis. 
Gegessen: Hausgemachte Ravioli, passend zur Musik auf dem Dorfplatz.
Gesehen: Eine hinreissende Anna von Hausswolff an der Orgel der Kapuzinerkirche.


Gesagt: Zu den DJ's: «Habt ihr auch Musik?»